Myofasziale Schmerzen
Aktuelle Datenlage Akupunktur
zur Behandlung von muskulär-bedingten Schmerzen (myofasziales Schmerzsyndrom)

Was sind
myofasziale Schmerzen?
Unter dem Begriff myofasziales Schmerzsyndrom
versteht man Schmerzen, die von der Muskulatur ausgehen. Dabei finden sich
überempfindliche Muskelverhärtungen, die meist tastbar sind und als
Triggerpunkte bezeichnet werden. Typisch ist außerdem der sogenannte „referred
pain“, also ausstrahlender Schmerz, der durch Druck auf den Triggerpunkt
ausgelöst werden kann. Kennzeichnend ist hierbei, dass der ausgelöste Schmerz
nicht nur an der Stelle des Drucks, sondern auch an anderen Körperstellen
empfunden wird. So sind beispielsweise typische „referred pain“-Regionen der
Nackenmuskulatur auf der Stirn zu
finden, oder Triggerpunkte in der Gesäßmuskulatur können für die
klassischerweise als „Ischiasschmerzen“ bezeichnete Symptomatik verantwortlich
sein.
Wie können
myofasziale Schmerzen ohne Medikamente behandelt werden?
Myofasziale Schmerzen sind eine traditionelle
Indikation für die Akupunktur. Hierbei kommt nicht nur die klassische
Nadelakupunktur und Ohrakupunktur zum Einsatz, sondern auch die
Triggerpunktakupunktur, die auch als „Dry Needling“ bezeichnet wird. Dabei
werden die Triggerpunkte mit der Akupunkturnadel mehrfach angepiekst. Ziel ist es
dabei, den Triggerpunkt zur schnellen Kontraktion zu bringen, der sog. „twitch
response“. Nach der Kontraktion erfolgt die Entspannung der Muskulatur und
damit das Lösen der verhärteten Muskelfasern.
Ebenfalls über Entspannung der kontrahierten Muskelfasern arbeiten auch
andere, nicht-medikamentöse Behandlungsformen des myofaszialen Schmerzsyndroms,
z.B. die manuelle Medizin und Massage, die die Triggerpunkte durch Druck lösen
oder die Injektion durch Lokalanästhetika direkt in den Triggerpunkt.
Wie ist die
wissenschaftliche Datenlage zur Behandlung von myofaszialen Schmerzen mit Akupunktur?
Myofasziale Schmerzen können an verschiedenen
Körperregionen auftreten und, wie oben beschrieben, mit verschiedenen
Akupunkturtechniken behandelt werden. Zusätzlich gibt es mehrere andere Behandlungsmethoden,
mit denen der Erfolg der Akupunktur in Studien verglichen werden kann. Daher sind
die vorhandenen Studien zu diesem Thema unterschiedlich und teilweise schwer zu
vergleichen.
Im Jahr 2009 wurde eine Metaanalyse (d.h. eine
Auswertung und Zusammenfassung verschiedener Studie einer
Forschungsfragestellung) in einer renommierten, internationalen Fachzeitschrift
der Schmerzforschung und –therapie veröffentlicht. In diese Auswertung wurden
sieben Studien einbezogen. Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse nur bedingt
interpretierbar waren, da die Qualität der untersuchten Studien nicht den
Anforderungen entsprach und meistens nur an wenigen Patienten durchgeführt
worden waren. Es schien jedoch, dass Akupunktur im Vergleich mit der
Standardbehandlung einen Effekt zeigte. Auch wenn die Akupunktur nicht
statistisch signifikant besser als die Placeboakupunktur, kamen die Autoren zu
dem Schluß, dass sich ein Behandlungseffekt durch Dryneedling auf Triggerpunkte
anzudeuten schien. Sie empfahlen, dies in weiteren Studien zu klären.
Seitdem wurden eine Vielzahl an Arbeiten zum Thema
myofaszialer Schmerz und Akupunktur veröffentlicht. Wissenschaftlichen
Ansprüchen genügen die Arbeiten, die Akupunktur mit anderen Verfahren oder
Placebo/ Schein- bzw. Sham-Akupunktur vergleichen („kontrolliert“) und bei der
die Teilnehmer zufällig der verschiedenen Behandlungen zugeteilt werden
(„randomisiert“). Eine durch die Daegfa durchgeführte Recherche in einer
internationalen Datenbank (PubMed) ergab, dass zwischen 2010-2015 24
randomisiert-kontrollierte Studien veröffentlicht worden waren. Die
Teilnehmerzahlen der einzelnen Studien schwankten zwischen fünf und 94 Personen.
Es wurden nur Studien weiter verwendet, die mindestens 20 Teilnehmer hatten (20
Arbeiten). Auch hier gab es noch große Unterschiede: Die Zahl der
erfolgten Behandlungen und die Nachbeobachtungsdauer
lag zwischen einer einzelnen Behandlung mit der Evaluation von Soforteffekten
und einer Serie mit 15 Sitzungen. Die maximale Nachbeobachtungszeit lag bei 3
Monaten (10, 16, 18, 20). Die Mehrheit der Studie beschäftigte sich mit
myofaszialen Schmerzen der Nackenregion (1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 16, 17, 18, 20).
Fünf Studien untersuchten den Akupunktureffekt bei temporomandibulärer
Dysfunktion, d.h. Schmerzen in Kieferregion und Kaumuskulatur (2, 3, 12, 14, 15),
eine bei Nacken- und/oder Rückenschmerzen (11), eine bei Fußschmerzen (10) und
zwei Studien machten keine Angaben zur betroffenen Körperregion (13, 19).
Die häufigste Akupunkturform war das Dryneedling,
also die Triggerpunktakupunktur (1, 3, 5, 7- 11, 13, 14, 16, 17, 19). Eine
Arbeit verglich diese Form mit herkömmlicher Akupunktur und befand sie für
überlegen (17). Eine andere Studie
verglich Triggerpunktakupunktur gegen Dryneedling im Muskel, jedoch abseits von
Triggerpunkten und stellte die Überlegenheit der Nadelung in die Triggerpunkte
fest (5). Eine weitere Studie verglich Akupressur mit der Collateralen
Meridiantherapie und fand keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen (6). In zwei
Studien wurde Akupunktur als zusätzliche Behandlung zur herkömmlichen Therapie
eingesetzt und mit dieser verglichen (2, 20). In beiden Fällen war die
Kombination erfolgreicher als die Singletherapie.
Als Kontrollgruppe wählten acht Studien einen
Vergleich mit Placebo, einer sogenannten Sham-Akupunktur (4, 10, 11, 12, 13,
14, 17, 18). In der Vergangenheit hatte dies öfters dazu geführt, dass Studien
negativ bewertet wurde, das sich unter den Behandlungen zwar die Beschwerden
gebessert hatten, aber die Unterschiede oft nicht statistisch signifikant
besser als die Sham-Gruppen waren. Von den hier vorgestellten acht Studien
konnten immerhin sechs eine Überlegenheit gegenüber Sham-akupunktur feststellen
(4, 10, 11, 12, 13, 17), wobei allerding auch eine Studie eine erhöhte Rate an
nicht-schwerwiegenden Nebenwirkungen in der Behandlungsgruppe sah (10). Eine
andere stellte das Wiederauftreten der Symptome in der Akupunkturgruppe fest
(12).
Die restlichen Studien verglichen Akupunktur mit
verschiedenen anderen Therapien. Dabei war
die Akupunktur:
- erfolgreicher als Medikamente bzgl. der Beweglichkeit,
bzw. gleichwertig hinsichtlich der Schmerzreduktion. Zusätzlich traten leichte
Nebenwirkungen durch die Medikamente in 41% der Fälle auf (3).
- erfolgreicher als die Behandlung mit Schiene bei der TMD
hinsichtlich Schmerzreduktion, Beweglichkeit und lokalem Druckschmerz (15)
- gleichwertig zu Injektionen mit Lokalanästhetika (16, 19),
bzw. besser in einer dritten Studie (11)
- gleichwertig zu verschiedenen Arten der Physiotherapie (7,
8, 9), wobei es leichte Unterschiede in Teilbereichen gab: Bezüglich der
Schmerzreduktion war Akupunktur in einer Arbeit besser (9) und in einer anderen
gleichwertig (7). In einer dritten Studie führten Manuelle Medizin,
Bindegewebstechniken und Akupunktur kombiniert mit Stretching zu einer
Reduktion der Schmerzen. Akupunktur mit Stretching und Manuelle Medizin erzielten
zusätzlich eine Verbesserung der Beweglichkeit, während nur Manuelle Medizin
auch die lokale Druckempfindlichkeit reduzieren konnte (1).
Zusammenfassung:
Seit der Metaanalyse von Tough
et al. 2009 wurde viel geforscht. Nach wie vor existiert eine große
Inhomogenität in Bezug auf Fallzahlen, Qualität und Art der Behandlung.
Allerdings spricht die Tatsache, dass in allen Arbeiten eine Besserung der
Beschwerden durch Akupunktur im vorher-nachher Vergleich gesehen wurde und nur bei
zwei randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) keine Überlegenheit der
Akupunktur gegenüber Placebo gezeigt werden konnte für sich. Die anderen 18
RCTs zeigten entweder die Überlegenheit der Akupunktur oder zumindest einen
gleichwertigen Effekt wie andere Therapieformen.
Die Studien finden Sie
HIER
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